Häufige Ängste und Gefühle im Vorfeld
Für viele Menschen ist der Schritt, zu einem Psychotherapeuten zu gehen, einerseits mit Ängsten (was einen dort wohl erwarten wird) und andererseits mit dem Gefühl, persönlich versagt zu haben, verbunden. Viele Menschen – insbesondere Männer – empfinden den Gang zum Psychotherapeuten als persönliche Niederlage, als ein „Versagen“ und schämen sich hierfür. Insbesondere depressive Menschen neigen dazu, sich für ihren Zustand selber die Schuld zu geben oder sind davon überzeugt, „es doch selber schaffen“ zu müssen. Weiterhin existiert in vielen Köpfen die Vorstellung, dass beim Psychotherapeuten „Bekloppte“ oder zumindest höchst skurrile Menschen sitzen, wozu ungezählte Witze („Kommt ein Irrer zum Arzt …“) und Cartoons beigetragen haben. Im Gegensatz dazu steht die, sehr häufig von Patienten gemachte Erfahrung, dass, wenn sie sich im Freundes- oder Bekanntenkreis oder am Arbeitsplatz „outen“, bezüglich einer begonnenen Psychotherapie zur Antwort bekommen: „Das ist gut, das habe ich auch vor ein paar Jahren gemacht und es hat mir sehr geholfen“. Auch sei an die Beispiele vieler Prominenter erinnert, die sich gerade in letzter Zeit in der Öffentlichkeit zu früheren seelischen Erkrankungen und/oder einer erfolgreichen psychotherapeutischen Behandlung bekennen. Seelische Probleme und Erkrankungen werden häufig verallgemeinernd mit den „Geisteserkrankungen“ gleichgesetzt, mit denen die Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis bezeichnet werden. Dies sind Erkrankungen, bei denen das Denken der Patienten schwer beeinträchtigt ist, im Sinne eines wahnhaften Erlebens oder einer wahnhaften Umdeutung der Welt („Ich bin Napoleon“) oder des Gefühls, bedroht oder verfolgt zu werden („Paranoia“). Diese Erkrankungen gehören in die Hand eines Psychiaters („Nervenarztes“) und können in erster Linie nur mit Medikamenten und häufig auch nur in einer psychiatrischen Klinik behandelt werden. Wenngleich es viele Berührungspunkte zwischen Psychiatrie und Psychotherapie gibt, wird man in einer psychotherapeutischen Praxis in der Regel nicht auf „Verrückte“ treffen und man muss nicht Angst haben, als „verrückt“ eingestuft zu werden, ebenso wie es in psychiatrischen Kliniken nicht zu geht wie in „Einer flog übers Kuckucksnest“.
Das sogenannte „Erstgespräch“
Nach der telefonischen Terminvereinbarung findet das so genannte „Erstgespräch“ statt. Im Erstgespräch bittet der Therapeut den Patienten zu Beginn in der Regel darum, möglichst frei und unstrukturiert vom Grund seines Kommens und seinen Problemen zu erzählen. Der Therapeut wird im Erstgespräch möglicherweise nur wenige direkte Fragen stellen, da es für ihn wichtiger ist, zu erleben, wie der Patient seine Probleme beschreibt oder in welcher Reihenfolge er von seinen Beschwerden berichtet. Gegen Ende dieses ersten Gespräches sollte der Therapeut dem Patienten eine Rückmeldung darüber geben, ob er „an der richtigen Adresse ist“, ob seine Symptome wirklich psychotherapeutisch behandelbar sind oder ob zur Sicherung der Diagnose noch andere (medizinische) Fachdisziplinen hinzugezogen werden müssen. Wenn der Therapeut das Gefühl hat, dass der Patient aus fachlichen Überlegungen (Ist eine andere Therapieform besser geeignet? Ist ein Klinikaufenthalt indiziert?) oder eigener „Befangenheit“ (Gemeinsame persönliche Berührungspunkte oder Verwicklungen mit dem Patienten) von ihm selber nicht behandelt werden kann, dann sollte er dies dem Patienten erläutern und ihm, wenn möglich, eine andere Anlaufstelle an die Hand geben. Es ist für Patienten häufig ein kränkender Moment, wenn der Therapeut ihm mitteilt, dass es besser sei, sich an anderer Stelle Hilfe zu holen („Da muss ich ja dann meine ganze Geschichte noch einmal erzählen“). Psychotherapie bedeutet für Patienten ein Stück anstrengende Arbeit, häufig über mindestens ein Jahr, so dass es in jedem Fall wichtig ist, den „optimalen“ Therapeuten (oder die optimale Therapeutin) zu finden, um nicht nach einem Jahr schulterzuckend zu der Einsicht kommen zu müssen, dass ein anderes Therapieverfahren oder ein Therapeut / eine Therapeutin mit einem anderen Arbeitsschwerpunkt besser gewesen wäre.
Die sogenannten „Probesitzungen“ oder auch „Probatorischen Sitzungen“
Erscheint dem Therapeuten nach dem Erstgespräch eine weitere Psychotherapie mit dem Patienten sinnvoll und „Erfolg versprechend“, wird er dem Patienten die Vereinbarung eines weiteren Termins vorschlagen. Sowohl bei den gesetzlichen Kassen, wie auch bei privaten Krankenkassen und Beihilfestellen, ist gewährleistet, dass insgesamt fünf so genannte „probatorische Sitzungen“ ohne größeren bürokratischen Aufwand erstattet werden. In den probatorischen Sitzungen wird der Therapeut „diagnostisches Material“ sammeln. Wie der Internist unter Umständen Blutwerte bestimmen, ein EKG schreiben, die Lunge abhören muss und ein Röntgenbild braucht, um seine Diagnose zu stellen und die richtige Therapie zu wählen, so muss auch der Psychotherapeut „Befunde“ und „diagnostisches Material“ sammeln. Im Falle der tiefenpsychologischen Therapeuten und der Psychoanalytiker wird der Therapeut hier unter anderem die Biographie des Patienten erfragen, wird die Art seiner Beziehungsgestaltung versuchen zu rekonstruieren, wird den Umgang des Patienten mit seinen Gefühlen beobachten und ihn nach eigenen Vorstellungen über den Grund für seine Probleme befragen. Oftmals bietet der Therapeut dem Patienten so genannte „Probedeutungen“ an, das heißt, eine Idee, ein Modell, zur Krankheitsgeschichte des Patienten. Ziel der probatorischen Sitzungen ist, dass der Therapeut sich Klarheit über das Krankheitsbild und die Problematik des Patienten machen und Sicherheit darin gewinnen kann, dass eine psychotherapeutische Arbeit mit ihm, dem Patienten, zu einer Linderung oder einem Verschwinden der Symptome führen kann. Der Patient wiederum kann und sollte die probatorischen Sitzungen ebenfalls für sich nutzen. Zum Einen sollte er sich prüfen, ob er das Gefühl hat, dass er mit dem, was der Therapeut ihm als Therapieverfahren und über den Ablauf der Behandlung berichtet hat, etwas anfangen kann, es seiner Persönlichkeit entspricht und ob er – bei allen noch offenen Fragen und einer Unsicherheit, wohin die „psychotherapeutische Reise“ gehen wird – das Gefühl hat, dass ihm der Therapeut helfen kann. Zum Zweiten soll der Patient prüfen, ob die „Chemie“ zwischen ihm und dem Therapeuten stimmt. In mehreren Studien wurde nachgewiesen, dass eine authentische und primär positive „Chemie“ zwischen Patient und Psychotherapeut (unabhängig davon, welches Therapieverfahren angewendet wird) ein ausschlaggebender Faktor für den Erfolg einer Psychotherapie ist. Häufig bedarf es nicht bis zur fünften Sitzung, bis Patient und Therapeut gemeinsam zu der Entscheidung kommen, bei der Krankenkasse eine Psychotherapie zu beantragen.
Die Beantragung einer Psychotherapie bei der Krankenkasse oder Beihilfestelle
Bei gesetzlich versicherten Patienten kann der Therapeut eine Kurzzeit-Therapie beantragen, für die er, relativ unbürokratisch nach Ausfüllen eines Formulars, 25 Sitzungen beantragen kann. Da die überwiegende Zahl Psychotherapien jedoch zwischen 50 und 80 Sitzungen dauern (in manchen Fällen sogar wesentlich länger) wird zumeist die Beantragung einer Langzeittherapie bei der Krankenkasse erforderlich. Hierfür muss der Therapeut einen ausführlichen, meist 4 – 5 Seiten umfassenden, anonymisierten Bericht für die Krankenkasse verfassen, die diesen streng vertraulichen Bericht von einem externen Gutachter dahingehend überprüfen lässt, ob eine Psychotherapie indiziert, sinnvoll und „Erfolg versprechend“ ist.
Die Beihilfestellen haben sich dem so genannten „Gutachter-Verfahren“ der gesetzlichen Krankenkassen angeschlossen und verlangen ebenfalls nach der fünften probatorischen Sitzung einen ausführlichen Bericht und einen Behandlungsplan des Therapeuten. Die unkomplizierte und unbürokratische Beantragung einer Kurzzeit-Psychotherapie ist bei den Beihilfestellen nicht möglich.
Privatpatienten bekommen die Kosten einer Psychotherapie in aller Regel ebenfalls erstattet, die Privatkassen haben hierbei jedoch keine einheitliche Regelung. Etliche Privatkassen zahlen ein bestimmtes Stundenkontingent pro Jahr (etwa 20 oder 30 Sitzungen pro Jahr), einige Privatkassen erstatten die ersten 25 Sitzungen unbürokratisch und unkompliziert und fordern erst hiernach einen detaillierten Bericht vom Therapeuten an. Einige Privatkassen erstatten Psychotherapie-Sitzungen erst nach der Überprüfung im so genannten „Gutachter-Verfahren“ (siehe oben). Privatpatienten sollten die genaue Regelung innerhalb des Zeitraumes der probatorischen Sitzungen bei ihrer Krankenkasse erfragen.
Anmerkung zum Datenschutz
Ein wichtiges Thema ist der Datenschutz in Zusammenhang mit den streng vertraulichen psychotherapeutischen Daten. Insbesondere Beihilfe-Patienten (Beamten-Anwärter, Patienten in exponierten Positionen) haben häufig Angst, dass ihre Daten für jedermann einsichtig sind. Meine langjährige Erfahrung ist, dass hier kein Anlass zu Befürchtungen besteht, insbesondere die vertraulichen Berichte sind anonymisiert, chiffriert und der Inhalt der Berichte ist aufgrund entsprechend gekennzeichneter und versiegelter Umschläge keinem Sacharbeiter von Beihilfestellen oder Krankenkassen einsehbar.
Vereinbarungen zwischen Therapeut und Patient
Im Zuge einer geplanten Psychotherapie werden Therapeut und Patient einige organisatorische Dinge vereinbaren. In der Regel wird man versuchen, einen regelmäßigen, festen wöchentlichen Termin zu finden (es sei denn, dass zum Beispiel die beruflichen Umstände des Patienten solche Regelmäßigkeit nicht zulassen). Der Therapeut wird den Patienten darum bitten und ihn dazu ermutigen, in der Stunde all das zu erzählen, was ihm gerade durch den Kopf geht, egal, ob es ihm unwichtig, lächerlich, peinlich oder nicht zur Sache gehörig erscheint. Auch wird er den Patienten auf die (weltweit übliche) Ausfalls-Honorar-Regelung hinweisen, indem der Therapeut dem Patienten eine nicht rechtzeitig abgesagte Therapiestunde (in der Regel kürzer als 48 Stunden) in Rechnung stellen wird, es sei denn, dass der Therapeut die Stunde anderweitig vergeben kann.
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